nach dem Roman von Tonio Schachinger
Das Marianum – ein typisches Elitegymnasium mit Burschen in grünen Polos, Mädchen in weißen Jeans und einer bürgerlichen Fassade. Dort hat es der eher introvertierte Till nicht leicht mit seinem Klassenvorstand Herrn Dolinar. Vehement verteidigt der sadistische Deutschlehrer den Literaturkanon als Herzstück der Bildung, indem er seine Schüler:innen nichts lesen lässt, was nicht als Reclamheft erhältlich ist. Um den repressiven Strukturen der Schule zu entkommen, flüchtet sich Till in das Computerspiel »Age of Empires 2«. Zwischen Schulalltag, Teenager-Dasein und der ersten großen Liebe schlägt sich Till die Nächte um die Ohren und arbeitet sich heimlich zu einem der weltweit besten Gamer hoch.
»Echtzeitalter« gewann 2023 den Deutschen Buchpreis. Geschrieben in der meisterhaften Sprache eines klassischen Bildungsromans, erzählt der Wiener Autor Tonio Schachinger mit subtilem Humor und spürbarer Empathie von einer Jugend zwischen den Zwängen unseres traditionellen Bildungssystems und der empfundenen Freiheit im Gaming – ein Konflikt zwischen den Generationen, zwischen antiquierten Autoritäten und jugendlicher Neugier, zwischen analoger und digitaler Welt.
Das Künstler:innenkollektiv F. Wiesel, das als Artists in Residence in der Konsole die theatralen Spielformen von Digitalität erforscht, widmet sich gemeinsam mit Regisseur Timon Jansen Schachingers Erfolgsroman. In einer von Puppenspiel bis Computergame medienübergreifenden Inszenierung folgen sie den Figuren auf ihrer Suche nach sich selbst und dem Leben, das sie leben wollen.
« Wüsste Tills Mutter, dass es bei Computerspielen nie um Gewalt geht, sondern immer um Immersion, und brächte sie diese Erkenntnis damit in Verbindung, wie sie es empfindet, in ein Kunstwerk einzutauchen, in einen Haneke-Film oder ein Händel-Oratorium, dann könnte sie vielleicht nachvollziehen, warum Till sich zu etwas hingezogen fühlt, das ihm jeden Abend garantiert, was Kunst nur in ihren besten Momenten schafft. »
mit: Dominik Puhl, Otiti Engelhardt, Anna Klimovitskaya, Mervan Ürkmez, Paul Graf und Oliver Chomik
sowie: Thomas Amegah, Hannah Brillinger, Julia Hausstätter, Clara Hudel, Eva Eklaude, Denis Krymskiy, Lena Pöltl, Eva Schmid, Gustav Breyvogel, Luna Meinunger
Regie: Timon Jansen, F. Wiesel (Jost von Harleßem, Hanke Wilsmann)
Bühne: Hannah von Eiff, Jost von Harleßem
Kostüme: Hannah von Eiff
Figuren- & Modellbau: Jost von Harleßem, Hanke Wilsmann
Dramaturgie: Andrea Vilter
Theaterfassung: Jost von Harleßem, Timon Jansen, Andrea Vilter, Hanke Wilsmann
Video: Jost von Harleßem
Licht: Anton Oswald
Game Design: Michael Eisner / Mitarbeit Gamedesign: Thomas Mehaudy
Inspizienz: Roland Fischer / Regieassistenz & Abendspielleitung: Jasmin Karami
Ausstattungsassistenz: Franziska Gütgemann, Clara Hirzberger
Dramaturgieassistenz: Amelie Lopper
Soufflage: Caroline Maier
Aufführungsrechte: Rowohlt
Wir danken dem Reclam Verlag für die großzügige Buchspende.
Probenfotos: Clara Wildberger
Auffühhrungsfotos: Lex Karelly
«[…] Besonders Dominik Puhl als Till trifft den Teenager mühelos:[…] Puhls Sprache hat etwas unaufgesetzt Emotionsloses. Die Illusion ist perfekt. Ebenso locker spielt sich Otiti Engelhardt in die halb so alte Felicité “Feli” Exner hinein. […] Anna Klimovitskaya, Paul Graf und Mervan Ürkmez spielen Mitschüler:innen oder handhaben diverse Objekte. […] Dafür funktioniert die Übertragung der Romanprosa auf die Bühne gut, weil Schachinger seine Erzählung sowieso in einem auktorial reflektierenden Präsens vorantreibt. So hat ein Teil des Ensembles immer etwas frontal zu schildern, während der Rest in einem Designwürfel von Bühnenbild für Action sorgt – mit Reclamheftschlachten und turbulent inszenierten Wettrennen um die letzten verfügbaren Ausgaben von Stifters “Brigitta”.»
Martin Thomas Pesl, nachtkritik.de
«Die Coming of Age-Geschichte […] mäandert mit subtilem Humor und Mühelosigkeit ohne große Höhen und Tiefen vor sich hin.[…] Echtzeitalter ist kein Gänsehaut-Theater mit großem Appell, so wenig wie das Tonio Schachingers Roman als Vorlage ist. Es ist ein sehr modernes Stück mit schlichter, subtiler Ästhetik, das Klarheit mit Atmosphäre verbindet und die digitale Zeitenwende als das erlebbar macht, was sie ist: längst da und wir mittendrin. Den Stoff als Produktion auf die große Bühne zu bringen und nicht als Jugendstück zu „branden“, zeugt darüber hinaus von Mut und Wertschätzung für die Lebensrealität junger Menschen. Und natürlich auch von Weitblick in Hinblick auf die Überlebenschancen des oft totgesagten Theaters. Den Jungen hat es gefallen, also alles richtig gemacht.»
Sigrun Karre, kuma.at
«Das Stück, vom Kollektiv F. Wiesel gemeinsam mit Regisseur Timon Jansen für die Bühne adaptiert, sollte unserer bescheidenen Meinung nach das Highlight der aktuellen Schauspielhaus-Saison werden. Zumindest ist es ein Pflichtprogramm für alle aufgeschlossenen Lehrerinnen und Lehrer. Die GenZ wird ihre wahre Freude haben. Nicht nur, aber auch wegen der authentischen Sprache, die stellenweise recht derb werden kann. Die Bühne (Hannah von Eiff und Jost von Harleßem) ist grandios, sie bietet Raum für das Klassenzimmer, für kleinformatiges Puppenspiel, für die Optik von Gaming-Plattformen wie Twitch. Der Figuren- und Modellbau von Jost von Harleßem und Hanke Wilsmann soll hier extra gewürdigt werden.»
Haubentaucher.at
«Ein Jahr nach dem Deutschen Buchpreis feierte “Echtzeitalter” von Tonio Schachinger am Grazer Schauspielhaus seine Bühnenpremiere. Die Inszenierung überzeugte mit Präzision, ließ aber mutigere Akzente vermissen. […] Dominik Puhl verleiht der Hauptrolle stilechten Blockbuster-Teenie-Charme, Otiti Engelhardt macht aus der selbstbewussten Feli weit mehr als nur Tills Love Interest. Extrapunkte gibt es für Paul Graf, der die Puppe des Erzfeind-Lehrers Dolinar gekonnt und voll trockener Dämonie zum Leben erweckt. […] Bühne, Technik und Licht sind, wie es sich für eine hoch subventionierte Institution schließlich auch gehört, vom Feinsten. »
Andreas Stangl/APA
«[…] Das Grazer Schauspielhaus bringt den modernen Bildungsroman nun auf die Bühne – mit vielen wunderbaren Einzelideen: Die ganze Bühne (Hannah von Eiff, Jost von Harleßen) ist ein Retro-Computerbildschirm, auf dem sich virtuell und real anmutenden Szenen abwechseln. Die Welt der Eltern und Lehrer wird anhand von Puppen erzählt – sie sind lebende Relikte eines verblassenden Bildungsbürgertums. Und auch wenn Till sich in seine Gaming-Welt zurückzieht, tut er das in einem kleinen Puppenhaus, das über Videoprojektionen zu bühnenfüllender Größe aufgeblasen wird. Durchwegs hochklassig zeigt sich das Ensemble: Dominik Puhl bildet als Till das zärtlich-suchende Zentrum der Geschichte. Er ist der Einzige, der stets in seiner Teenie-Rolle bleibt, während Otiti Engelhardt, Anna Klimovitskaya, Mervan Ürkmez und Paul Graf immer wieder aus ihren Rollen als seine Freunde aussteigen, mithilfe von Puppen zu Erwachsenen mutieren und das Geschehen auf der Meta-Ebene auch kommentieren.»
Christoph Hartner / Kronenzeitung
«Kurzweilig und federleicht ist dieser Abend, bei dem die Erwachsenen nicht als Menschen, sondern als Puppen und Dinge auftreten. […] Das schicke Bühnenbild (Hannah von Eiff, Jost von Harleßem) spielt sehr gekonnt mit Perspektiven und Größenverhältnissen und bisweilen kommt sogar der Witz der Vorlage zum Vorschein. […] Es geht von Ibiza (mit köstlichem Videospiel) zu Corona, die letzten Jahre der Republik bilden den Hintergrund, vor denen die finanziell bestens abgesicherte Jugend sich ihre Zeit vertreibt. […] »
Martin Gasser / Kleine Zeitung