Luxemburg

LUXEMBURG

F. Wiesel entwickelt eine Science-Fiction Erzählung über die Frauen der Vergangenheit und ihre möglichen Zukünfte. Rosa Luxemburg, Ada Lovelace und Florence Nightingale treffen auf ein Instrument, mit dem sie Geschichtsschreibung neu arrangieren können, Vergangenes wiederholen und Stattgefundenes ungeschehen machen können.
Ein Abend über die Möglichkeit einer anderen Welt.

Im Kampf um eine gerechtere Geschichtsschreibung fragen die Avatare historischer Frauenfiguren nach einer Welt, die möglich gewesen wäre oder es noch immer sein kann. Sie rekonstruieren Vergangenheit, suchen nach Ursprüngen aktueller Zustände. Wo sollte die Menschheit anders abbiegen? Welche Entscheidung kann überdacht werden?

Mit Musik, Video und Figuren verhandelt LUXEMBURG Lösungen für eine mögliche Zukunft und konstruiert ein Vehikel, sich anders durch die Zeit zu bewegen um Systeme zu befrieden. Das Publikum wird zum Teil der Szene und beginnt mit zu planen: Ausgestattet mit Kameras, Instrumenten und Versuchsmaterial brechen wir gemeinsam auf und zeigen, 100 Jahre nach der Ermordung Rosa Luxemburgs, einen Ausblick auf das Jahr 2222, das Ende des Anthropozän.
Das Jahr in dem Europa vor dem Eis fliehen wird.

Und wenn all das im Theater wenigstens für einen Abend Sinn ergibt, kann ein Teil davon nach außen dringen?

« Ein Blackout, ein Filmriss. Irgendwas ist passiert.
Aber was eigentlich? Und wie lange waren wir weg? Die gesamte Weltbevölkerung ist da und niemand weiß, was in den letzten zehn Jahren stattgefunden hat.
Eine kollektive Amnesie.
Es hat nichts stattgefunden.

Die Kalender und die Uhren scheinen einen Fehler zu haben.

Es ist schon einmal passiert: Für einen Tag im Sommer 1993 finden sich keine Aufnahmen oder Einträge. Kein Messgerät das irgendetwas belegt, kein System das irgendwie notiert dass diese 24 Stunden stattgefunden haben.

Das Wochenende war normal. Freitag wird ein Patent angemeldet.
Am Samstag wird eine neue Regierung gewählt. Ein Vogel stirbt aus.
Sonntags wird eine Pianistin geboren. Montag öffnet die Börse.
Die Kurse steigen. Eine Bahn entgleist und in Afrika trifft eine Lieferung Müll ein.
Dienstag heiratet eine Königin und ein Freizeitpark wird eröffnet.
Donnerstag tritt die erste Interkontinentalmaschine in Litauen ein.

Freitag endet die Olympiade.

Mittwoch. Mittwoch fehlt einfach. Es gibt nichts. Niemand weiss etwas.
Es gibt keine Zeitung am Donnerstag morgen, die über die Ereignisse des Vortages berichtet. Der Wettbewerb im Kugelstoßen ist nirgendwo festgehalten.

Die Börsenkurse setzen aus – die Linien bleiben gerade.
Keine Interferenz, keine Unregelmäßigkeit.

Der Mittwoch hat nicht stattgefunden.
Freitag, Samstag, Sonntag, Montag, Dienstag. Donnerstag, Freitag.
Da war kein Mittwoch. Niemand kann bezeugen dass da wirklich ein Mittwoch war. Das siebte Jahrhundert fehlt komplett. »

F. Wiesel. Prolog für Luxemburg 


von und mit Ana Berkenhoff, Hanke Wilsmann, Jost von Harleßem
Mitarbeit Kostüm Hannah von Eiff
Mitarbeit Musik Philip Albus
Produktionsleitung Heidrun Schlegel 
Fotos Jörg Baumann

Preview am 18./19./20.11. 2023, Open Studios, Atelierfrankfurt
Premiere 17./18./19. Februar 2023, Landungsbrücken Frankfurt

Eine Produktion von F. Wiesel
gefördert von:
Kulturamt der Stadt Frankfurt, Hessisches Ministerium für Wissenschaft und Kunst

«Einmal Tabula Rasa machen. Für die Vorstellungskraft. Einmal alles auf Anfang setzen, einen Ort erfinden, irgendwo hinter der Zukunft. So spricht und verspricht es die Performerin Ana Berkenhoff am Anfang von „Luxemburg“ – und er klingt verlockend, der Neuanfang in diesen Endspiel-haften Zeiten, in denen wir händeringend nach neuen Erzählungen suchen, nach neuen Geschichten. […] Berkenhoff, von Harleßem und Wilsmann tupfen ihre Science-Fiction-Erzählung mit hoher Leichtigkeit und ebensolcher Dichte in den Raum. Puppenspiel, die vielteilige, detailverliebte Bühnenmaschinerie und Filmtricktechnik lassen einen Lebensraum entstehen […]Was bleibt, ist, mit F. Wiesel diese Geschichte/n in ihren poetischen, assoziativen Multimedia-Collagen anders zu erzählen, gegen den Strich und gegen den Strom, um die Potenziale jener Leerstellen und Brüche auszumachen, die sich in dieser Lesart ergeben. Und „Luxemburg“ gibt einen beglückenden Vorgeschmack darauf.»

Esther Boldt, Fidena.de / 24.02.2023
Interview auf x-wie-raus. https://hearthis.at/x-wie-raus/flinkwiesel-luxemburg/

Abbildung: «Historical Photograph of Rosa Luxemburg using her Marx Book Pro to hack the space time contiuum.» erstellt mit OpenAI DALL·E 2